BFH: Vertretung im ärztlichen Notfalldienst ist umsatzsteuerfrei (XI R 24/23)

Der Bundesfinanzhof hat entschieden: Übernimmt ein Arzt gegen Entgelt den ärztlichen Notfalldienst (z. B. Wochenenddienst) als Vertretung für einen anderen Arzt, sind diese Umsätze als Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 a UStG umsatzsteuerfrei – unabhängig davon, wem gegenüber die Leistung umsatzsteuerrechtlich erbracht wird. Damit korrigiert der BFH eine gegenteilige FG-Sicht und schafft Rechtssicherheit für Vertretungsmodelle im KV-Notdienst.

Worum ging es?

Ein selbständiger Allgemeinmediziner hatte mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe eine Vereinbarung zur freiwilligen Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst. In den Jahren 2012–2016 übernahm er als Vertreter „Sitz- und Fahrdienste“ für andere eingeteilte Ärzte und rechnete hierfür Stundenlöhne ab. Finanzamt und Finanzgericht sahen diese Vertretungsleistungen als umsatzsteuerpflichtig an; der BFH bejahte dagegen die Steuerbefreiung.

Kernaussagen des BFH

  • Heilbehandlung auch bei Vertretung: Die vertretungsweise Übernahme des Notfalldienstes dient einem therapeutischen Zweck (Erkennung/Behandlung von Notfällen) und ist daher Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 a UStG. 
  • Empfänger egal: Für die Steuerfreiheit kommt es nicht darauf an, ob die Leistung Patienten, Krankenkassen, der KV oder dem vertretenen Arzt gegenüber erbracht wird. Entscheidend sind Art und Inhalt der ärztlichen Tätigkeit, nicht die Person des Leistungsempfängers. 
  • Abgrenzung: Blutentnahmen für die Polizei (Beweissicherung) sind nicht steuerfrei – sie verfolgen keinen therapeutischen Zweck. 
  • Einordnung in die BFH-Linie: Der BFH knüpft an seine Rechtsprechung zu Bereitschaftsdiensten bei Großveranstaltungen (V R 37/17 vom 02.08.2018) an und überträgt diese Grundsätze auf den KV-Notfalldienst. 
Gesellschfafter Geschäftsführer

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Ärztinnen und Ärzte

  1. Vertretungsdienste im Notfalldienst: Honorare für die Übernahme von KV-Notfalldiensten als Vertreter sind ohne USt abzurechnen (Heilbehandlung, § 4 Nr. 14 a UStG). Hinweis auf der Rechnung empfehlenswert, z. B.: 
    „Umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 a UStG – Vertretung im ärztlichen Notfalldienst; BFH XI R 24/23“. (Ableitung aus dem Urteil; der BFH stellt auf die Tätigkeit ab, nicht auf den Empfänger.) 

  2. Andere Tätigkeiten prüfen: Leistungen ohne therapeutischen Zweck – etwa polizeiliche Blutentnahmen – bleiben steuerpflichtig

  3. Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG): Führen die steuerfreien Notdienst-Umsätze dazu, dass nur geringe steuerpflichtige Umsätze verbleiben, kann die Kleinunternehmerregelung (Schwellenprüfung!) wieder greifen – im BFH-Fall ab 2014 relevant. Individuell prüfen (Umsatzgrenzen, Option/Verzicht).

  4. Vorsteuerabzug: Steuerfreie Umsätze vermitteln grundsätzlich keinen Vorsteuerabzug. Für viele Praxen ändert sich dadurch wenig, da Heilbehandlungen regelmäßig steuerfrei sind. Bei Mischumsätzen (z. B. Gutachten, kosmetische Eingriffe, Privatleistungen ohne therapeutischen Zweck) ist die Vorsteueraufteilung zu beachten. (Allgemeiner Grundsatz; nicht Streitgegenstand, aber praktisch relevant.) 

Für Steuerberater:innen

  1. Rechnungs- & Vertragsprüfung: Verträge über Vertretungsdienste sollten klar regeln, dass der Vertreter den Notfalldienst selbst leistet (Anwesenheit/Einsatzbereitschaft), nicht bloß „Freistellung“ oder reine Ressourcenüberlassung. Das stützt die Einordnung als Heilbehandlung. 

  2. Abgrenzung zu „reinem Vorhalten“: Das bloße Bereitstellen medizinischer Ressourcen ist keine Heilbehandlung; beim Notdienst schuldet der Arzt jedoch eigene notfallmedizinische Leistung.

  3. Dokumentation: Dienstpläne, KV-Vereinbarungen und Leistungsnachweise geordnet vorhalten – wichtig bei Außenprüfungen. 

Rechtlicher Hintergrund – verständlich erklärt

Heilbehandlung (§ 4 Nr. 14 a UStG) umfasst ärztliche Leistungen zur Diagnose, Behandlung, Heilung oder zum Schutz/Erhalt der Gesundheit. Diese Umsätze sind von der USt befreit. Der BFH betont: Nicht entscheidend ist, wer die Rechnung bekommt, sondern was ärztlich geleistet wird. Genau deshalb bleibt die Vertretung im Notfalldienst steuerfrei – auch wenn gegenüber dem vertretenen Arzt abgerechnet wird.

Habt ihr Fragen zu dem Thema?

Zögert nicht, uns zu kontaktieren - wir beraten Euch gerne bei all Euren steuerlichen Herausforderungen!

Quick-Check: Fällt Ihr Notdienst-Honorar unter die Steuerbefreiung?

  • Sie sind approbierter Arzt/Ärztin und leisten persönlich den KV-Notfalldienst. ✔️ 
  • Inhaltlich: Bereitschaft, Notfälle zu erkennen und sofort zu behandeln. ✔️ 
  • Rechnungsempfänger kann der vertretene Arzt, die KV, Patient:in oder Krankenkasse sein – ohne Einfluss auf die Befreiung. ✔️ 
  • Nicht umfasst: Tätigkeiten ohne therapeutischen Zweck (z. B. polizeiliche Blutentnahmen).  

FAQ – häufige Fragen

Gilt die Befreiung auch, wenn ich an ein MVZ oder die KV abrechne? 

Ja. Laut BFH kommt es nicht auf die Person des Leistungsempfängers an. Maßgeblich ist die ärztliche Heilbehandlung. 

Gilt das auch für „normale“ Urlaubs-/Praxisvertretungen außerhalb des KV-Notdienstes? 

Das Urteil betrifft den ärztlichen Notfalldienst. Eine Übertragung auf andere Vertretungssituationen ist möglich, aber nicht automatisch; hier kommt es stark auf den therapeutischen Zweck und die konkrete Ausgestaltung an. Empfehlung: Einzelfallprüfung. 

Sind Bereitschaftsdienste bei Veranstaltungen ebenfalls steuerfrei? 

Ja, dazu liegt bereits BFH-Rechtsprechung vor (V R 37/17): Bereitschaftsdienste mit unmittelbarem Gesundheitsbezug können Heilbehandlungen sein. Das neue Urteil bestätigt und erweitert diese Linie. 

Ich habe in der Vergangenheit USt ausgewiesen – kann ich berichtigen? 

Möglich, aber vorsichtig: § 14c UStG (unrichtiger Steuerausweis) und Vertragsanpassungen beachten. Wir prüfen das gerne im Einzelfall. 

Wie formuliere ich meine Rechnung richtig? 

Beispielhinweis: „Umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 a UStG – Vertretung im ärztlichen Notfalldienst (BFH XI R 24/23)“. (Empfehlung; keine Pflichtangabe.) 

Nächster Schritt

Sie übernehmen Notfalldienste – regelmäßig oder ad hoc – und möchten Verträge, Abrechnung und USt-Risiken sauber aufsetzen? Wir prüfen Ihre Konstellation (inkl. Kleinunternehmergrenze, Vorsteuer, Mischumsätze) und liefern klare Mustertexte für Abrechnung & Vertrag. 


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Der Autor: Sven Sistig

Seit 12 Jahren ist Sven Sistig im nationalen und internationalen Steuerrecht tätig, mit einem Schwerpunkt auf umsatzsteuerlicher Beratung und der Betreuung von Start-Ups, (Online-)Händlern und Influencern. Nach Stationen bei Deloitte und Flick Gocke Schaumburg leitete er zuletzt die Steuerabteilung bei ABOUT YOU. 

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