Reform der Kleinunternehmer-Regelung in der Umsatzsteuer nach dem ersten JStG 2024

Die Reform der Kleinunternehmer-Regelung im Umsatzsteuerrecht, die im Anfang Juni verabschiedeten ersten Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) enthalten ist, bringt bedeutende Veränderungen mit sich. Diese Änderungen sollen kleinen Unternehmen in der EU mehr Flexibilität und Wettbewerbsvorteile bieten und zudem nationale Regelungen EU-weit vereinheitlichen.

Anlass zur Reform der Kleinunternehmer-Regelung

Bisher konnten Kleinunternehmer die Steuerbefreiung nur in ihrem Ansässigkeitsstaat nutzen. Sobald ein deutscher Kleinunternehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat Umsätze erzielte, musste er dort unter Umständen ab dem ersten Euro Umsatzsteuer zahlen und sich den lokalen Registrierungs- und Erklärungspflichten unterwerfen. Dies galt auch umgekehrt für ausländische Kleinunternehmer in Deutschland. Diese Regelung wurde als einschränkend und wettbewerbsverzerrend empfunden, was zur Überarbeitung durch die Richtlinie (EU) 2020/285 führte. Die neuen EU-Vorgaben müssen bis zum 1. Januar 2025 in nationales Recht umgesetzt werden.

Wesentliche Änderungen auf EU-Ebene

Ein Kernstück der Reform ist die Aufhebung der Inlandsbegrenzung sowie der Wechsel von Nicht-Erhebung . Nationale Umsatzgrenzen werden harmonisiert, und eine neue Umsatzgrenze von EUR 100.000 für grenzüberschreitend tätige Kleinunternehmer eingeführt. Mitgliedstaaten können nationale Umsatzgrenzen bis zu EUR 85.000 festlegen. Kleinunternehmer, deren Jahresumsatz die EUR 100.000 EU-weite Grenze nicht überschreitet, können die Steuerbefreiung auch in anderen Mitgliedstaaten nutzen. Dabei müssen sie verschiedene Umsatzgrenzen überwachen: die nationale Grenze ihres Ansässigkeitsstaates, die nationalen Grenzen in anderen EU-Ländern, in denen sie tätig sind, sowie die EU-weite Grenze.

Nationale Umsetzung im JStG 2024

Das erste JStG 2024 sieht eine Neufassung des § 19 UStG und die Einführung eines neuen § 19a UStG vor. Die Kleinunternehmerregelung wird von einer Nichterhebungs- zu einer unechten Steuerbefreiung umgestaltet. Dies bedeutet, dass die Steuerbefreiung auch den Ausschluss vom Vorsteuerabzug umfasst. Begleitet werden diese Änderungen durch neue Vorschriften zur Rechnungstellung von Kleinunternehmern.

Fallgruppen der neuen Regelung

Die neue Regelung unterscheidet im Grunde drei Fallgruppen:

  1. Rein nationale Kleinunternehmer: Diese unterliegen den Regelungen des § 19 Abs. 1–3 UStG-E.
  2. Im Inland ansässige, grenzüberschreitend tätige Kleinunternehmer: Für sie gelten § 19 Abs. 1–3 und Abs. 6 UStG-E sowie § 19a UStG-E.
  3. Im EU-Ausland ansässige, im Inland tätige Kleinunternehmer: Für sie sind § 19 Abs. 4 und 5 UStG-E relevant.

Ermittlung der Umsätze

Bisher handelt es sich bei den Grenzen von EUR 22.000 für das Vor- und EUR 50.000 für das laufender Jahr um Bruttogrenzen. Sofern entgegen der Prognoseentscheidung im laufenden Jahr ein Umsatz von EUR 50.000 überstiegen wird, hat dies zudem keine Auswirkung auf die Stellung als Kleinunternehmer. Erst ab dem darauffolgenden Jahr wurde dann bislang von der Regelbesteuerung Gebrauch gemacht.

Künftig wird aus der Brutto- nun eine Nettogrenze. Das heißt bspw. für Unternehmer, deren Umsätze dem regulären Steuersatz von derzeit 19% unterliegen das Folgende: Übersteigen seine Einnahmen im Jahr 2024 EUR 29.750 nicht und wird im Jahr 2025 die Grenze von EUR 119.000 nicht überschritten, findet die Kleinunternehmerregelung im Jahr 2025 weiterhin Anwendung. Ab dem Jahr 2026 unterliegt der Unternehmer dann der Regelbesteuerung.

Achtung: Aus Prognoseentscheidung wird scharfe Grenze

Anders als bislang gibt es keine Prognoseentscheidung mehr. Überschreitet der Unternehmer im laufenden Jahr entgegen seiner zu Beginn des Jahres getroffenen Prognose die Umsatzgrenze von (brutto) EUR 119.000 führt dies dazu, dass die Regelungen darüber hinaus nicht mehr anwendbar bist. Bereits der Umsatz, mit dem die Grenze überschritten wird, ist nicht mehr als steuerfrei im Sinne des neuen § 19 UStG zu behandeln. Wichtig und gut ist, dass die Steuerfreiheit nicht rückwirkend für alle Umsätze des Jahres entfällt. Dies hätte zu einem extrem hohen bürokratischen Aufwand und entsprechenden Rechnungs- sowie Anmeldungskorrekturen geführt.

Fazit & Praxishinweis

Diese Anpassungen sollen es Kleinunternehmern erleichtern, von den Vorteilen der Steuerbefreiung auch in anderen EU-Staaten zu profitieren, ohne mit übermäßigen administrativen Belastungen konfrontiert zu sein. Die Reform strebt somit eine Vereinfachung und Modernisierung der bestehenden Regelungen an und fördert den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU.

Unternehmer, die im laufenden Jahr zwar die EUR 50.000, nicht aber die Grenze von EUR 100.000 (netto) überschreiten, können auch im nächsten Jahr von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen, sofern sich diese als vorteilhaft erweist. Ob dies der Fall muss stets im Einzelfall geprüft werden. Insbesondere sind hier ein möglicher Vorsteuerabzug bei Verzicht in Kombination mit typischen Kunden (Privatleute oder Unternehmer) sowie dem erhöhten administrativen Aufwand (unter anderem Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen) miteinander zu vergleichen.

 

Der Autor: Sven Sistig

Seit 12 Jahren ist Sven Sistig im nationalen und internationalen Steuerrecht tätig, mit einem Schwerpunkt auf umsatzsteuerlicher Beratung und der Betreuung von Start-Ups, (Online-)Händlern und Influencern. Nach Stationen bei Deloitte und Flick Gocke Schaumburg leitete er zuletzt die Steuerabteilung bei ABOUT YOU. 

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