Der BFH hat mit Urteil vom 10. Mai 2023 (V R 16/21) über den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Betriebsveranstaltungen entschieden. Streitig war, ob ein Vorsteuerabzug bei Überschreiten des lohnsteuerlichen Freibetrags von EUR 110 nach Maßgabe der allgemeinen wirtschaftlichen Tätigkeit zulässig war, oder das Finanzamt diesen zurecht in Gänze – und nicht nur anteilig – versagt hat.
Die Grundlagen
Zu unterscheiden ist zunächst, ob die Eingangsleistung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit, also “vor allem für die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen genutzt” (Rz. 21), oder ausschließlich für Zwecke des privaten Bedarfs seiner Mitarbeiter*innen bezogen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Betriebsveranstaltungen wie Sommerfesten, Weihnachtsfeiern oder Betriebsausflügen regelmäßig das private Interesse überwiegend, gleichwohl Steuerpflichtige Budget für diese Veranstaltungen nicht zuletzt auch aus betriebswirtschaftlichen Interessen zur Verfügung stellen dürften, mithin zur Verbesserung des Betriebsklimas.
Bezug für den privaten Bedarf des Personals – und nun?
Keine Entnahmebesteuerung i. S. d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG liegt nur dann vor, wenn es sich bei den Zuwendungen um “Aufmerksamkeiten” handelt (Rz. 29). Dann wäre der Vorsteuerabzug wieder zulässig nach allgemeiner Maßgabe.
Wie definiert sich also der Begriff der Aufmerksamkeiten?
Der Begriff der Aufmerksamkeit ist gesetzlich nicht definiert und findet sich wortgetreu auch nicht im Unionsrecht wieder. Im Hinblick auf Art. 16 Unterabs. 2 MwStSystRL als unionsrechtliche Grundlage dieser Einschränkung entsprechen Aufmerksamkeiten wohl den “Geschenken von geringem Wert” (Rz. 30).
Auch wenn das Umsatzsteuerrecht für sich betrachtet nach Maßgabe des Unionsrechts und sich entsprechend nicht nach Maßgabe übriger nationaler Gesetze zu bewerten ist, lässt der BFH zur “Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung” an der Rechtsprechung zu den lohnsteuerlichen Beträgen orientiert.
Die Entscheidung
Entsprechend sind “Aufmerksamkeiten” i. S. d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG bei Betriebsveranstaltungen immer dann gegeben, sofern der gesamte Betrag je Arbeitnehmer EUR 110 (netto) nicht übersteigt. Folglich ist der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn die Betrag von EUR 110 überschritten wird.
Freibetrag vs. Freigrenze
Auch wenn es sich im Lohnsteuerrecht um einen Freibetrag handelt, weist der BFH in vorliegendem Urteil explizit darauf hin, dass es sich umsatzsteuerrechtlich um eine Freigrenze handelt. Dies ergäbe sich ausdrücklich aus dem Wortlaut der Norm (Rz. 35).
Praxisfolgen
In der Praxis und insbesondere vor dem Hintergrund eines funktionierenden Tax CMS muss darauf geachtet werden, dass im Zusammenspiel zwischen der Personalabteilung – die regelmäßig für lohnsteuerliche Themen und Betriebsveranstaltungen verantwortlich zeichnet – und der Finanzbuchhaltung – die die Eingangsrechnungen verbuchen muss – ein geeigneter Prozess implementiert ist, der diesem Urteil Rechnung trägt. Im Einzelnen bedeutet dies, dass bei Überschreiten der Grenze je Mitarbeiter*in ein entsprechender Hinweis gegeben werden muss, damit die entsprechenden Rechnungen je Betriebsveranstaltung ohne Vorsteuer gebucht werden. Hinsichtlich der Ermittlung der 110 EUR-Grenze sollte die Steuerabteilung bzw. der Steuerberater eine entsprechende Anleitung zur Hand geben, da sich diese von den lohnsteuerlichen Ermittlungen unterscheiden kann.
Ausblick
Der Entwurf des JStG 2023 (vgl. Blog-Beitrag hier) sieht eine Anhebung des lohnsteuerlichen Freibetrags von EUR 110 auf EUR 150 vor. Dies dürfte dann entsprechend auch für die Umsatzsteuer für den Begriff der Aufmerksamkeiten gelten, so dass entsprechende Prozesse und Arbeitshilfen anzupassen sind.
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